Preußische Invasion in Haida, Bürgstein und Umgebung (1866)

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Mario
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Preußische Invasion in Haida, Bürgstein und Umgebung (1866)

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"... Am 15. März kam die telegraphische Depesche nach Haida, daß das bis dahin in Krakau stationirte k.k. 26. Feldjäger-Bataillon in den Haidaer Bezirk dislocirt werden würde. Am 21. März langte ein Hauptmann des genannten Bataillons mit mehreren Jägern an, um die betreffenden Ortschaften in Augenschein zu nehmen. Der 27. März brachte das ganze Bataillon, 700 Mann stark. Der Bataillonsstab mit der Musikkapelle und 1 Compagnie wurden in Haida und Arnsdorf, die 2. Compagnie in Bürgstein, Johannesdorf und Rodowitz, die 3. In Piehl, Komt und Bokwen, die 4. In Blottendorf und Falkenau, die 5. In Langenau und die 6. In Lindenau einquartirt. Einige Tage nachher trafen in Haida die Bagage- und Munitionswagen ein, welche auf dem alten Ringe aufgestellt und mit Wachtposten versehen wurden. Die Mehrzahl der Truppen waren Italiener aus dem Görzer und Istrianer Kreise, die übrigen Krainer, Polen und Czechen. Am 2. April veranstaltete die Kapelle des Jägerbataillons ein von mehreren Hundert Personen besuchtes Concert im Gasthause zu Schwoika; am 8. April producirte sich dieselbe in Bürgstein im Schloßhofe, am 15. April in Warnsdorf und dann noch mehrere Male im Garten des Gasthauses „zum Bahnhofe“ in Haida. Ueberall fand dieselbe allgemeine Anerkennung. Auch die Uebungen der Truppen, welche dieselben im Hinblicke auf die ernsten Zeitverhältnisse seit 3. April fleißig vornahmen, erregten das Interesse der Bewohner. Bei einem solchen Exercitium, es war am 7. April, kamen dieselben auch in die Ortschaften Alt- und Neuschiedel mit Klemensdorf, deren Bewohner bis dahin in ihrem ganzen Leben wohl nur wenig Soldaten gesehen hatten; kein Wunder, daß sie die Jäger für Preußen hielten, in der Angst mit den besten Habseligkeiten den nahen Waldungen zueilten und die Häuser von Innen verbarrikadirten. Als sich der Irrtum aufgeklärt hatte, marschirte das Bataillon noch bis Reichstadt und kehrte dann wieder in die Standquartiere zurück. Auch nach Röhrsdorf, Jägersdorf und in andere Orte wurden Uebungsmärsche unternommen und insbesondere auf dem Hahneberge zwischen Bürgstein und Zwickau fleißig manövrirt. Dies gefiel den jungen Leuten, weshalb mehrere sich freiwillig zum Bataillon assentiren ließen. Ende April wurde das Bataillon auf den Kriegsstand gebracht und mußten um diese Zeitüberhaupt sämmtliche Urlauber einrücken. Viele Einberufene eilten nochmals in die Gasthäuser, um bei fröhlicher Musik, bei’m schäumenden Gerstensafte im Kreise von Geschwistern und Verwandten noch einige frohe Stunden zu genießen. Schon am 30. April und1. Mai folgten die Ersten dem Rufe des Kaisers. Am 2. Mai Früh Morgens kam eine lustige Schaar Urlauber unter den Klängen einer Musikbande den Hahneberg herab, hielt im Gasthause zu Maxdorf kurze Rast und nahm da Abschied von Eltern und Geschwistern; am 12. Mai kam wieder ein Trupp Urlauber mit Musik aus den sogenannten Hinterdörfern: Mergthal, Lichtenwalde, Krombach u. f. w. In den nächsten Tagen schon kehrten mehrere aus Theresienstadt zurück und erzählten, daß sie wieder auf unbestimmte Zeit entlassen seien, weil bei den massenhaften Zuströmen von Einberufenen die Truppencommandanten nicht im Stande wären, gleich alle einzureihen. Viel von sich reden machten die Vorkehrungen, welche in und bei der Festung getroffen wurden. Tausende von Arbeitern waren hier bei Erdarbeiten, Pallisaden ... beschäftigt; auch vor Leitmeritz bei Trnowan wurden Befestigungen angelegt und die Waldungen auf den umliegenden Bergen abgetrieben. Munition, Waffen, Vorräthe von Heu, Hafer und proviant wurden nebst einer Menge Ochsen in der Festung angehäuft. – Am 9. Mai erhielt das Bataillon Marschbefehl und zog über Böhmisch-Kamnitz nach Bodenbach, von wo Major Barnozza an die Gemeinden des Haidaer Bezirkes wegen der freundlichen Aufnahme seines Bataillons ein Dankschreiben erließ. Das Spital verblieb mit einem Rückstande von 18 Mann noch durch 14 Tage in Haida und ist daselbst auch ein Unterjäger (Veroneser) gestorben; er wurde feierlich beerdigt. Nach dem Abzuge der Jäger und der Urlauber wurde es öde und einsam in der ganzen Gegend, es trat eine Windstille ein, der bald Sturm folgen sollte. Am 15. Mai trugen die Haidaer Veteranen in Bürgstein einen Kameradenzu Grabe. Als sie heimkehrten, sagen sie Arndt’s deutsches Vaterland. Damals ahnten wir nicht, daß dieses Lied so bald für uns Deutsche ein Grablied werden sollte. Nach eingegangenen Nachrichten hatten zwei Inf.-Regimenter mit dem 26. Jäger-Bataillon das linke Elbufer an der Grenze zu Sachsen besetzt; warum , so fragte man sich, bleiben unsere so wichtigen Gebirgspässe unbesetzt, da auch bei dem nicht fernen Görlitz bedeutende preußische Truppenmassen zusammen gezogen wurden? Wie ganz anders war es doch im Jahre 1850! Wohl wurden die Gemeinden aufgefordert, sich für größere Truppenmengen vorzubereiten, man besichtigte auch die Viehställe, und beauftragte die Wirthschaftsbesitzer, sie für Cavallerie-Einquartierung rein zu halten. Es ließ sich jedoch kein Militär sehen.

Große Furcht bemächtigte sich der Bewohner, als der 16. Juni die Kunde brachte, daß die Preußen in Sachsen eingebrochen seien. In vielen Häusern fing man an, die besten Werthsachen in Sicherheit zu bringen. Das Schwoikaer Gebirge wurde als Zufluchtsstätte für den Fall ausersehen, als der Feind in’s Land kommen sollte; dorthin sollen schon zur Zeit des Schwedenkrieges die Bewohner von Bürgstein in Klüfte und Schluchten geflohen sein und deswegen eine Höhle daselbst, in der damals die herrschaftlichen Beamten die Geldkassen versteckt hielten, den Namen Schwedenhöhle erhalten haben. Dieselben Schlupfwinkel waren auch in den späteren Kriegen aufgesucht worden. – In der Nacht vom 17. Zum 18. Juni fuhren durch Bürgstein Kutschen und Leiterwagen mit Flüchtigen aus Sachsen; sie kamen auf der Zwickauer Straße an und fuhren gegen Leipa weiter. Am 18. Juni wurden in Haida die kaiserlichen Adler abgenommen, auch viele Handlungsfirmen und Gasthausschilder verschwanden. Die Post brachte von Rumburg alle ausländischen Briefe zurück, da die Postverbindung mit Sachsen aufgehört hatte. Nachmittags wurde das kais. Manifest kundgemacht. Um 4 passirten die Rumburger Arrestanten die Stadt. Um dieselbe Zeit eskortirten 6 uniformirte Schützen aus Zwickau auf einem Leiterwagen die Zwickauer Steuerkassa durch Bürgstein. Abends um 10 Uhr wurde eine Husaren-Ordonnanz, welche von Zwickau durch Bürgstein nach Grabern geritten war, auf dem Rückwege durch einen eigenen Boten avisirt, nicht mehr nach Zwickau zurückzukehren, sondern über Reichstadt nach Gabel zu eilen, indem die Preußen bereits in Lichtenwalde erschienen wären, und sich deshalb die ganze Escadron von Zwickau nach Gabel zurückzuziehen habe. Die Nacht verlief deshalb sehr unruhig.. – Der 19. Juni brachte weitere flüchtige Sachsen mit den bereits erzählten falschen Gerüchten; auch Beamte von Zittau und Großschönau befanden sich unter den Flüchtigen; von Zwickau her fuhr Wagen an Wagen angefüllt mit Leuten, die das Weite suchten. Die dadurch hervorgerufene Besorgnis war eine allgemeine, so zwar, daß in mehreren Gemeinden selbst die Ortsvorsteher durch die Gemeindediener die jungen Leute auffordern ließen, ihrer Sicherheit wegen den Ort zu verlassen, was diese auch sofort thaten. Im Dorfe Bokwen flüchteten sich viele Burschen, mit großen Hausbroten versehen, in das Schwoikaer Gebirge, wo sie bis zum Anbruche der Nacht blieben. Ein ganzer Haufen Flüchtlinge aus Sachsen wurde im Gasthause des Josef Erbstein in Bürgstein auf Kosten des Herrn Pfarrer P. Josef Hegenbarth und des Herrn Dr. Peter Isak mit Speise und Trank gestärkt. In Maxdorf wurden viele Einrichtungsstücke in die nahen Waldungen versteckt. Vormittags waren sämmtliche Gemeindevorsteher der etwaigen Contributionen wegen bei der Bezirksbehörde gewesen und hatten dort bestimmt, daß jede Gemeinde ihr Contribution für sich decken soll. Am 20. Juni steigerten viele dumpfe Schüsse, die wir von Norden her vernahmen, die allgemeine Besorgnis. Viele Wirthschaftsbesitzer schafften sich Branntwein ein, um den Anforderungen der Truppen, sei es Freund oder Feind, nach Möglichkeit zu entsprechen. Am 21. Juni Früh wieder dumpfe Schüsse. Die Wiener Zeitungen blieben aus, die Fabriken in Leipa, Piehl und anderen Orten wurden geschlossen, auch die Glasindustrie kam wegen des eingestellten Eisenbahntransportes in’s Stocken. Gewerbsleute entließen ihre Gehilfen und Lehrlinge. Und doch glaubten noch immer viele nicht daran, daß die Preußen die Grenze überschreiten würden; es kam zu heftigen Debatten, so daß sich hie und da die besten Freunde entzweiten.

Am 22. Juni Vormittags verbreitete sich die Nachricht, daß Oesterreicher vom Regimente Hannover in Leipa eingerückt seien, um von da Abends nach Haida zu marschiren. Nachmittags erfuhr man, daß zwei preußische Parlamentäre in Zwickau waren, um die Eröffnung der Feindseligkeiten zu notificiren. Gegen 4 Uhr kamen nach Haida kaiserliche Beamte von Rumburg, welche die Schreckensnachricht brachten, daß die Preußen Vormittags in Rumburg eingerückt sind. Gegen Abend eilten sehr viele Leute aus der Umgebung nach Haida, um das ankommende österreichische Militär zu sehen; in der Postgasse daselbst wogte die Menge auf und ab, Hunderte standen draußen an der „Steinwand“, um neugierig die Straße nach Leipa hin zu beobachten. Nach 9 Uhr kamen endlich – 5 Oesterreicher, welche in die Röhrsdorfer Waldungen patroullirten und mittheilten, daß das Gros erst morgen kommen werde. Eine Husarenpatrouille war schon früher in derselben Richtung abgegangen; in banger Erwartung zerstreute sich die Menge. – Am 23. Juni standen schon frühzeitig ungeachtet des kühlen Morgens eine Menge Leute auf dem Kamme bei der Steinwand und erwarteten mit Ungeduld die Ankunft des Militärs. Um 7 Uhr endlich hörte man von Weitem Trommelschläge. Um halb 8 kamen die ersten Soldaten, 30 Nikolaus-Husaren, unter Anführung eines jungen Rittmeisters die Steinwand heraufgeritten. Da es regnete, hatten sich die Husaren in ihre weißen Mäntel gehüllt und ihre mit frischen Rosen geschmückten Mützen tief in’s Gesicht herabgezogen. Die Mannschaft machte vor den ersten Häusern Halt, der Rittmeister sprengte in die Stadt. Bald darauf kam das 4. Bataillon des Regimentes König von Hannover Nr. 42, zuerst eine halbe Compagnie, dann die Haupttruppe. Der Empfang der Soldaten von Seite des Publikums war ein sehr herzlicher; hier fiel ein Soldat seinem Vater um den Hals, dort küsste ein Bruder die Schwester, aus jedem Zuge blickten bekannte Gesichter. In der Postgasse wurde auf Befehl des Majors Birnbaum Halt gemacht und den Truppen, welche sehr über Durst klagten, Erfrischungen gereicht. Auch Geschütze kamen an, welche vor der Stadt unter dem Konnewidzer Berge aufgestellt wurden; es waren 4 Vierpfünder mit 4 Pulverwagen. Des anhaltenden Regens halber wurde um 9 Uhr die Infanterie in Scheuern einquartirt, mußte dieselben aber schon nach einer halben Stunde verlassen und sich auf dem alten Ringe aufstellen. Die 19. Comp. Wurde als Vorhut in die Röhrsdorfer Waldungen ausgesendet, wohin ihr die Nikolaus-Husaren bereits vorausgegangen waren; die anderen drei Compagnien erhielten Befehl scharf zu laden. Sie wurden auf dem Ringe mit Butterbrot, Bier, Rum und Zigarren, Einzelne auch mit baarem Geld beschenkt. Haidaer Fräuelins schmückten ihnen die Czako’s mit Rosen. Gegen Mittag machten sich die Truppen comod; ein Theil derselben legte Waffen und Mäntel in den Scheuern der Postgasse nieder und verfügte sich auf die großen Wiesenzwischen der Post- und Sommermühle, machte daselbst Feuer an und kochte Fleisch in den Feldkesseln. Das Wetter war unterdessen freundlicher geworden, die Soldaten lagerten sich leicht gekleidet um ihre Feuer und schmauchten aus ihren Tabakpfeifen. Die, welche am Ringe geblieben waren, lagen auf dem harten Pflaster, den Tornister unter dem Kopfe; nur einige Posten schritten in den Reihen der Gewehrpyramiden, in die auch die Fahne hineingehängt war, auf und nieder. Von der in die Röhrsdorfer Waldungen entsendeten 19 Compagnie stand der äußerste Posten, 20 Mann stark, bei dem Röhrsdorfer Mauthhäuschen, von da waren Piquets bis nach Haida zu Hoffmann’s Gasthause aufgestellt. Um 3 Uhr Nachmittags erhielt der Herr Postmeister Karl Salm durch einen Boten die schriftliche Nachricht, daß die Preußen in Gabel eingerückt sind. Gleichzeitig kam der junge Husaren-Rittmeister mit dem Rufe auf den alten Ring gesprengt: „Die Preußen sind in Gabel eingebrochen, bei Neuhütte zeigen sich auch schon preußische Patrouillen.“ Der Bataillons-Trompeter blies sogleich Alarm, die Artelleristen sprengten mit der Bespannung in größter Carriér die Postgasse hinaus zu den Geschützen, Nikolaus-Husaren ritten in den Wald um die Infanterie-Posten, die in der Stadt zerstreuten Soldaten eilten in die Scheuern um ihre Waffen und stürzten dann dem Sammelplatze zu. Auch unter dem Civile entstand große Verwirrung, denn es hieß, die Preußen seien auch schon in Kreibitz-Neudörfel, und daher ein Straßenkampf unvermeidlich. Die 19. Compagnie marschirte in die Stadt herein, die Beamten fuhren nach Leipa ab. Um halb 6 Uhr erhielt eine Compagnie Befehl zum Rückmarsche. Da kam plötzlich auf schaumbedecktem Pferde mit verhängten Zügel ein Postillon von der Röhrsdorfer Straße auf den alten Ring gesprengt und schrie: „Die Preußen sind schon in Kleingrün, ihre Patrouillen fliegen schon bis Zwickau herein.“ Um 6 Uhr erhielten daher auch die anderen 3 Compagnien Befehl zum Rückzuge, der sofort angetreten wurde. So viele Freuden das Kommen, so großes Leid erregte das Scheiden der Soldaten. Bis in die Nachthinein standen ungeachtet des größten Regens Gruppen beisammen und blickten voll banger Erwartung gegen die Röhrsdorfer Waldung hinaus. Die gefürchteten Preußen kamen jedoch heute noch nicht. Gegen 11 Uhr Nachts fand sich noch eine starke Infanterie-Patrouille von Rodowitz her kommend, mit einem angeblichen Spione ein. Der Führer, Namens Franz Teifel aus dem benachbarten Rodowitz, erkundigte sich nach seinem Bataillon und fuhr demselben um Mitternacht mit einem Vorspannwagen nach. – Durch Bürgstein war um 11 Uhr Vormittags von Haida aus eine Infanterie-Patrouille auf Streifung gegangen. Um 3 Uhr Nachmittags kam daselbst im schnellen Ritt das Zwickauer-Husaren-Detachement auf seinem Rückzuge durch. Nach 9 Uhr Abends endlich erschien noch eine Infanterie-Patrouille mit einem Lieutenant, welche sich in der Nacht nach Leipa zurückzog. Kein Stern stand in dieser schaurig kalten Nacht am Himmel, kein Laut war zu hören; überall herrschte tiefe Stille, nur in einigen Witrthschaftsgebäuden, aus denen man verschiedene Habseligkeiten und das Vieh nach Sohr überführte, war rege Geschäftigkeit.

Sonntag den 24. Juni, als der Gottesdienst beinahe zu Ende war, kamen mehrere Holzweiber athemlos von der Röhrsdorfer Straße auf den alten Ring gestürzt, und verkündeten mit zitternder Stimme, daß die Preußen in Röhrsdorf seien und gegen Haida vorrücken. Schnell wurden die meisten Kaufladen geschlossen. Um ½ 12 Uhr zeigten sich diesseits der Röhrsdorfer Waldungen die ersten 2 Reiter vom rheinischen Uhlanenregimente Nr. 7; ihnen folgte bald ein ganzer Trupp, 3 sprengten im gestreckten Galopp, den Säbel in der zitternden Rechten, mit der Linken krampfhaft die Pistole umfassend, bis vor das Gasthaus des Stephan Hoffmann, an Kinder und Erwachsene die ängstliche Frage stellend, ob Oesterreicher in Haida seien. Mittlerweile näherten sich auch die Uebrigen, im Ganzen 30 an der Zahl; 20 sprengten mit gespannten Revolvern in die Stadt, durchstreiften sie nach allen Richtungen und besetzten dann den Ausgang der Stadt (die Steinwand) an der Straße nach Böhm.-Leipa, 10 stellten sich auf dem an der Rumburger Straße nächst der Stadt gelegenen Berge auf und kamen dann ebenfalls in die Stadt. Nun fanden sich zwei Offiziere auf dem Rathhause ein und schrieben die erste Lieferung vor. – Um 12 Uhr Mittags zeigten sich unterm Stelleberge die ersten 2 feindlichen Infanteristen vom 3. Rheinischen Regimente Nr. 29, welche langsam gegen Hoffmann’s Gasthaus herankamen, und gleichfalls nach Oesterreichern fragten. Sie ließen sich ihre Feldflaschen füllen und gingen dann wieder in die Waldungen zurück. Neugierige wollten sich die feindlichen Lager ansehen, wurden aber von den Vorposten zurückgewiesen. Das erstefeindliche Bivouak war hinter dem Stelleberge auf einer Hochebene, das größte am Mückenhügel. Um 1 ½ Uhr ging der erste Wagen mit requirirten Gegenstände in’s Lager ab. Unterdessen hatten sich’s die Uhlanen nächst der Steinwand bequem gemacht; sie lagerten daselbst in einem Kornfelde und ließen sich die Viktualien, die man ihnenaus der Stadt brachte, wacker schmecken. Es waren durchgehends freundliche Leute, welche den Krieg sehr bedauerten. Ihre erste Patrouille entsendeten sie auf der Straße nach Langenau, da sich in der Nähe noch immer Nikolaus-Husaren zeigten. Nachmittags kamen 3 Nikolaus-Husaren auf der Chaussee von Leipa her, während drei preußische Uhlanen von Nieder-Langenau auf dem Fahrwege nach Piehlerbaustellen, einem Dorfe an der Straße zwischen Haida und Leipa, patrouillirten und so den Oesterreichern in den Rücken kamen. Im Gasthause Nr. 158 daselbst hielten die Preußen an und verlangten Butterbrod und Bier. Während sie sich’s auf ihren Pferden schmecken ließen, kehrten die 3 Nikolaus-Husaren von Haida her zurück. Beide Patrouillen kamen einander auf ungefähr 120 Schritte nahe; die Oesterreicher sprengten vorüber, die Preußen ihnen nach, doch vermochten letztere die ersten nicht einzuholen, weshalb sich selbe um so mehr zum baldigen Rückzug veranlaßt sahen, als beim Gasthause „zur goldenen Wurst“ in Piehlerbaustellen der äußerste österreichische Vorposten stand. Als die österreichischen Truppen sich auch von Leipa zurückgezogen hatten, gingen die preußischen Uhlanenpatrouillen schon bis zum genannten Gasthause vor. – Um 5 Uhr Nachmittags kam ungefähr eine halbe Compagnie des 29. Regimentes aus den Bivouaks in die Stadt herein, stellte ihre Gewehre auf dem alten Ringe in Pyramiden auf und besetzte die Straßenausgänge nach Leipa, Bürgstein und Kamnitz. Die Soldaten fragten verwundert: „Man sieht hier so viele junge kräftige Männer, warum sind denn die nicht Soldaten?“ Einige Offiziere dieses Regimentes meldeten beim Bürgermeisteramte eine neuerliche Requisition an. – Am selben Tage Abends erschien der Lieutenant Buchwald des rheinischen Uhlanen-Regimentes Nr. 7 auf dem Bürgermeisteramte und verlangte für den nächsten Tag für 3000 Mann und 1000 Pferde: Brot, Fleisch, Kartoffeln, Reis, Branntwein, Hafer, Heu und Stroh, deren Beistellung für die Stadtgemeinde unmöglich war. In Folge dessen begab sich der Herr Bürgermeister Dr. Strauß mit dem Herrn Stadtrathe k.k. Notare Josef Hellert und dem Herrn Stadtrathe Leopold Czech in’s feindliche Lager zwischen Haida und Röhrsdorf und erwirkte dort eine bedeutende Ermäßigung der Requisition.*) Die Preußen bivouakirten vom 24. Zum 25. Juni sämmtlich außerhalb der Stadt u. z. an der Leipaer Aerialstraße und in der Waldung zwischen Haida und Röhrsdorf, in welcher sie bei ihren Lagerfeuern einen Theil des daselbst aufgestellten Klafterholzes verbrannten, zum Errichten von Hütten Bäume und Aeste abhieben, und auf diese Weise der Waldung vielen Schaden verursachten. An 70 betrug die Zahl der Hütten. Dieselben waren sehr lang und mit Reisig eingedeckt.

Die Offiziere hatten eigene Hütten von Birkenholz; auch einen Tisch hatten ihnen die Soldaten gezimmert. In dieses Lager mußte die Stadt die Lieferungen besorgen. Die Stärke der feindlichen Abtheilung, die in der genannten Waldung lagerte, ist nicht bekannt geworden, man schätzte sie auf 3000. – Nach Bürgstein kamen am 24. Juni in der 8. Frühstunde 4 Nikolaus-Husaren, welche bis in die Bürgsteiner Haide hinausritten und mit gespannter Pistole nach allen Richtungen spähten. Sie wurden darauf unter den Kastanien gegenüber dem Schlosse mit Kaffee, Rum und Speck bewirthet. Auf Befehl eines Wachtmeisters, der von Pihl herüber kam, mußten sie aufsitzen und nach Jägersdorf zurückreiten. Um 12 Uhr langte die nachricht ein, daß die Preußen schon in Zwickau seien. Um 1 Uhr wurde bekannt, daß sie auch Haida besetzt haben. Zwei mächtige Rauchsäulen, welche aus den Röhrsdorfer Waldungen links vom Kleisberge emporstiegen, zeigten an, daß dort feindliche Lager aufgeschlagen waren. Gegen 4 Uhr Nachmittags kam eine preußische Uhlanen-Patrouille auf der Haidaer Straße bis zur Johanniskapelle, gegen Abend eine zweite bis zum Hause Nr. C. 40 in Johannesdorf. Um 5 Uhr ließ der Herr Bezirksobmann Dr. Strauß von Haida aus sagen, daß der Commandant der feindlichen Truppen eine Requisition ausgeschrieben habe und daß die den Ort Bürgstein treffenden Gegenstände bis morgen Früh 9 Uhr nach Haida geliefert werden müssen, widrigens sie mit Gewalt der Waffen eingetrieben werden würden. Sofort folgte eine Sitzung des Gemeindeausschusses, an welcher auch der gräflich Kinsky’sche Oekonomie-Verwalter Herr Kajetan Hieb und die Bäcker, Fleischer und Kaufleute des Ortes Theil nahmen. In der nacht leuchteten 9 große Feuer aus den Röhrsdorfer Waldungen und Feldern herüber; es waren die Wachtfeuer der Preußen. In anderen Jahren erhellten an diesem Abende die Johannisfeuer das Dunkel der Nacht. – In Rodowitz waren am 24. Juni um 1 Uhr Nachmittags die ersten 3 preußischen Infanteristen vom 29. Inf.-Regimente dem Fabrikanten F. Ehrlich unweit des Stares, einer Felsenhöhle begegnet; sie riefen ihm freundlich einen guten Tag zu, führten ihn auf die Anhöhe bei Miksche’s Kreuze und sagten zu ihm, auf den Wald hinüber zeigend: „Sehen Sie dort die schwarze Wand, das sind alles Preußen.“ Wirklich wimmelte es am Fuße des Kleisberges von Blaujacken und Pickelhauben. Die 3 Preußen erzählten, daß sie schon 8 Wochen auf dem Marsche und sehr hungrig seien, da sie heute noch nichts gegessen hätten. Herr Ehrlich reichte ihnen in seiner Wohnung Butterbrot und Schnaps. Gegen 2 Uhr kamen 3 Uhlanen aus dem Walde nach Rodowitz und frugen um den kürzesten Weg nach Zwickau. Als man ihnen den gewöhnlichen Weg über Maxdorf zeigte, waren sie damit nicht einverstanden, sie wollten den allernächsten wissen, den sie dann auch auf einem Feldwege am Hutberge hin einschlugen. Um 3 Uhr Nachmittags fand sich ein Lieutenant mit 7 Infanteristen bei’m Gemeindevorsteher Anton Hölzel ein und verlangte barsch Fleisch und Speck; da solches nicht zu haben war, nahmen sie Hühner, Brot, Butter, Eier, Erdäpfel und Stroh. Nicht lange darauf kamen andere aus dem Lager und verlangten Lebensmittel, die sie theilweise bezahlten; sie spießten die erhaltenen Brote und Semmeln auf ihre Bajonette und eilten dann in’s Lager zurück. Auch im einsamen Forsthause am Jungfernsteine wurden Viktualien requirirt; eine Fuhre Stroh mußte gegen Abend in’s Lager am Mückenhügel hinausgeführt werden. Die Preußen gaben dem Fuhrmanne Geld, damit er ihnen im Orte Lebensmittel einkaufe und sie hinausschicke. Das geschah denn auch; Weiber mit großen Körben bepackt, trugen die Sachen hinaus, einige Männer, mitgroßen Schnapsflaschen versehen, folgten ihnen. Gegen Abend traf ein Bote des Hern Bezirksobmannes mit einer Requisitionsforderung für eine Compagnie Infanteristen ein. Auch zahlreiche Infanterie-Patrouillen kamen Abends aus den Waldungen nach Rodowitz und besuchten die Mühlschenke und das Gasthaus des Josef Würfel. Sie waren sämmtlich vom 29. Regimente, benahmen sich sehr unbesorgt und freundlich und äußerten, sie hätten nie gedacht, daß hier so gute Leute wohnen; einer weinte, weil er 4 Kinder zu Hause habe, und nun als Deutscher gegen Deutsche kämpfen müsse.

Am 25. Juni in der 4. Morgenstunde kamen mehrere Uhlanenabtheilungen aus dem Lager in die Stadt Haida, durchstreiften sie und ritten dann gegen Leipa und Bürgstein weiter. Eine Uhlanen-Ordonnanz meldete um dieselbe Zeit in Hoffmann’s Gasthause, daß man sich die leeren Fässer aus dem Lager holen solle. Ein Mann, der sogleich hinaus ging, fand zu seiner Verwunderung sämmtliche Lagerplätze von den Truppen verlassen. Um 8 Uhr früh strömten auf allen Wegen aus den umliegenden Ortschaften Leute herbei, um den gestern angekündigten Truppendurchmarsch zu sehen. Gegen 9 Uhr kamen Wagen an Wagen aus den Gemeinden des Bezirkes, beladen mit den Requisitionen; die Sachen wurden bei’m Stadthause abgeladen. Nun eilten auch viele Neugierige hinaus in die verlassenen Lager, wo bereits mehrere frauen damit beschäftigt waren, die Ueberreste der Lebensmittel zu sammeln. Große Stücke Fleisch und Brot waren in den Boden getreten, an vielen Stellen der Reis verschüttet. Hütten an Hütten standen längs der Straße. Um 10 Uhr Vormittags erscholl abermals der Schreckensruf: „Die Preußen kommen!“ In unerklärlicher Weise wurde beigesetzt, daß sie diesmal plündern werden. Man schloß daher wieder die Läden und packte aus Furcht vor Plünderung die Sachen zusammen. Bald darauf rückten blaue Dragoner, etwas über eine Escadron vom westphälischen Regimente Nr. 7, langsam die Röhrsdorfer Straße herein, stellten sich auf dem Ringe längs des Piaristenklosters auf, und verlangten das Mittagessen. Diesem Begehren zu Folge wurden aus den Häusern Lebensmittel gebracht, die Gemeinde Arnsdorf mußte 10 Srich Hafer liefern. Die Preußen ließen sich’s wohl schmecken, sprachen ihr Gefallen an der Stadt aus und frugen angelegentlich nach dem Orte Zwitte. Die Fuhrleute mußten darauf die bei’m Stadthause liegenden Gegenstände mit Ausnahme des Fleisches , welches als schon zu alt zurückgewiesen wurde, wieder aufladen und sie, bedeckt von den Dragonern, über Bürgstein und Lindenau in die großen Lager bei Brims führen. – Nachmittags 4 Uhr kamen abermals Truppen, grüne Husaren und dann Infanterie nach Haida. Die Haupttruppe, 1 Bataillon des 17. Rheinischen Infanterie-Regimentes mit 2 Kanonen, rückte eine Viertelstunde später mit Trommeln und Pfeifen nach.**) Der größere Theil wurde einquartirt.

Weniger als 10 Mann durften in keinem Hause untergebracht werden, in vielen lagen 50-60 Mann. Eine Compagnie bivouakirte hinter dem Hause Nr. 29 auf beiden Seiten der nach Leipa führenden Aerialstraße. Außer der Verpflegung mußten dieser Truppe 1120 Quart Bier und 3000 Pfund Stroh nebst Brennholze geliefert werden. Die Soldaten gingen mit Feuer und Licht sehr unvorsichtig um; es wurde daher Abends das städtische Spritzenhaus geöffnet, um im Falle einer Feuersgefahr schnell löschen zu können. Die Gasthäuser waren heute sehr belebt. Die bivouakirende Compagnie zündete mächtige Wachtfeuer an und ließ Niemanden durch. So verging der Tag, ohne daß der gestern angekündigte große Durchmarsch erfolgte. Wie man nachträglich vernahm, hatten jene Truppen, welche durch Haida gehen sollten, in Röhrsdorf den Befehl erhalten, nach Niemes abzurücken. – Um Mitternacht erschienen 2 Nikolaus-Husaren, die von der Langenauer Wiese herkamen, bei der Sommermühle. Der Müller, der selbst 19 preußische Husaren im Quartire hatte, reichte ihnen ein Glas Bier und bat sie um Gotteswillen, sich ruhig zu verhalten. Erst als sie bei hellem Mondscheine auf den Konnewitzer Berg zu ritten, bemerkte der Müller, daß die Hufe der Pferde mit Stroh umwickelt waren; zu wundern bleibt es aber immer, wie sie die zahlreichen feindlichen Vorposten passieren konnten. Ein Radetzky-Husar hatte vom hohen Kleisberge aus Tags über die Bewegungen des Feindes beobachtet.

Durch Bürgstein ritten am 25. Juni schon in den frühesten Morgenstunden einzelne Uhlanen, die von der Zwickauer Straße herkamen, in der Richtung nach Piehl. Dies bestimmte die Gemeindevertretung, mit der gestern verlangten Lieferung nach Haida nicht zu zögern, so daß dieselbe bereits um 8 Uhr abgehen konnte. Sie bestand aus 73 Pfund Fleisch, 375 Pfund Brot, 8 Pfund Kaffee, 61 ½ Pfund Reis, 4 Pfund Salz, 3 Eimer Bier, 40 ½ Zentner Hafer, 4 Zentner Heu und 5 Zentner Stroh. Gleich darauf kamen 11 Uhlanen auf der Zwickauer Straße mit gezogener Pistole, 2 Offiziere an der Spitze und ritten in den herrschaftlichen Meierhof. Während sie dort verweilten, kamen mehre Civilisten von Rodowitz her auf Pferden geritten; ihnen nach folgten Flüchtende zu Fuß, von denen viele blos halb gekleidet waren. „Rettet euch,“ schrien die Flüchtlinge, „in Rodowitz packen die Preußen alle Männer zusammen, und die sich nicht fügen, werden zusammengehauen.“ Es half kein Beschwichtigen. Eine ganze Schaar von Grasmähern, die Sensen wie die Würgengel in der Luft schwingend, schließt sich den Flüchtigen an, es war ein Wettlauf auf Tod und Leben. Sie rennen nach allen Richtungen und in der Verwirrung kommen einige anstatt vorwärts wieder in die Nähe von Rodowitz zurück. Aber nicht blos junge Männer fliehen, auch alte Leute mit weißen Haaren ergreift der Schwindel. Ganz Bürgstein wurde in Angst und Schrecken versetzt, selbst beherzte Männer ließen sich einschüchtern; es könnte doch wahr sein, sagten sie , und liefen mit fort – in’s Schwoikaer Gebirge. – Um 9 Uhr kamen die ersten grünen Düsseldorfer Husaren von der Rodowitzer Straßenach Bürgstein, wiederholt nach Oesterreichern fragend. „Leutel, habt’s keine Furcht vor uns,“ sagte dann ein Offizier, der Oberwachtmeister war, „geht ruhig eueren Geschäften nach, wir haben unsere Geschäfte. Wo ist der Ort Zwitte?“ Man zeigte ihm den gewöhnlichen Fahrweg, er sieht auf seine Karte und erwidert: „es muß ein näherer Weg dahin führen, zwischen zwei Bergen an einer Kapelle vorbei; wir wissen jeden Rainstein.“ Nachdem er noch einige Fragen in Betreff des Bürgsteiner Grafen gestellt hatte, ritt er die Dorfgasse hinab. Fast gleichzeitig stellte sich ein langer Reiterzug, die 3. Und 4. Escadron des 2. Westphälischen Husaren-Regimentes Nr. 11, von Kunnersdorf über Rodowitz kommend, auf der Domswiese auf und entsendete sofort zahlreiche Posten. – Unterdessen hatten die um 8 Uhr angekommenen Uhlanen im herrschaftlichen Meierhofe 40 Zentner Heu und 1 Ochsen requirirt. – Um halb 10 Uhr holten 2 Uhlanen den Herrn Gemeinderath und Fabrikanten Ignaz Niesig Nr. 28 zum Oberwachtmeister auf den Fuchsberg; er sollte 100 Brote schaffen, der Feind begnügte sich jedoch mit 35. Ein Piquet grüne Husaren verlangte um dieselbe Zeit vom Gasthauspächter Richter, den sie früher barsch nach Oesterreichern ausgefragt hatten, 2 Faß Bier auf die Domswiese. Gleich darauf kamen in dasselbe Gasthaus 3 grüne Husaren, ließen sich alle Kästen und Schränke öffnen und nahmen den vorgefundenen Zucker mit sich. – Bei Gulich’s Gasthause Nr. 15 hielten Husaren, später Uhlanen die Straße von Haida, Leipa und Zwickau besetzt; nach Leipa durfte Niemand passiren. Von Gulich’s Pächter Josef Erbstein verlangten dieHusaren, indem sie ihm den Revolver auf die Brust setzten, einige Eimer Bier. – Von der Gemeinde verlangte ein Husaren-Major, Graf Dohne, eine 3. Lieferung von 50 Strich Hafer, Brot u. f. w., indem er auf die Vorstellungen des Herrn Pfarrers und des Rentmeisters Herrn Franz Kallaus, daß erst vor kurzem an die Uhlanen geliefert worden sei, erwiderte: „Wer kann helfen, wenn 2 Truppenkörper zusammentreffen? Wenn binnen 2 Stunden die Sachen nicht da sind, werden sie meine Husarenzwangsweise holen.“ Diese Drohung machte einen solchen Eindruck, daß viele Bewohner ihre Habseligkeiten in die Keller versteckten. Um die Gemeinde keiner Gefahr auszusetzen, sammelten herrschaftliche Beamte bei den Wirthshausbesitzern die verlangten Brote, an Hafer wurden aber nur 37 Strich aufgebracht, mit denen sich jedoch Graf Dohne begnügte; ja es wurde dieser Herr recht leutselig und verbreitete das Mährchen, daß Gablenz die Festung Glaz eingenommen habe, dabei aber 18000 Oesterreicher in die Luft gesprengt worden seien. – Die Husaren auf der Domswiese draußen waren mittlerweile von ihren Pferden gestiegen und lagerten sich, da sie sehr ermüdet waren, in den Straßengraben. Mehre Ortsbewohner zapften ihnen das Bier an und reichten es denselben in Gläsern herum; Kinder und Frauen trugen ihnen für Geld Lebensmittel zu. Dadurch wurden sie sehr freundlich und erzählten, daß sie gestern Nachts in Wolfsberg bei Zeidler einquartirt waren und daß sie dort nur alte Leute in den Häusern getroffen hätten, da Männer, Weiber und Kinder mit Vieh und Habseligkeiten in die nahen Waldungen geflohen waren. „Wir verlangen nur Essen und Trinken“, sagten sie, „sonst wollen wir nichts und was wir requiriren, darüber stellen die Offiziere eine Quittung aus, welche dann unser König bezahlt.“ Um halb 12 wurde zum Aufsitzen commandirt; die 2 Escadronen ritten auf die Sohrkapelle zu und verschwanden im Walde, doch widerhallte noch lange ihr Gesang zwischen den Bergen, von dem aber nur der Endrefrain zu verstehen war: „Oesterreich muß zerrissen werden.“ – Um halb 1 Uhr kam jene Escadron Dragoner an, welche von Haida aus die vielen Wagen voll requirirten Gegenstände eskortirten. Ihnen schlossen sich die Uhlanen aus dem Meierhofe mit den hier requirirten Sachen an, zu deren Beförderung, da die Pferde schon Samstag entfernt worden waren, Ochsen und Kühe verwendet werden mußten, und nun bewegte sich der ganze Wagenzug, 26 an der Zahl, in die Lager von Kunnersdorf und Brims. Der jüngere der beiden Uhlanen-Offiziere gab allen Anwesenden die Hand und sprach sein Bedauern aus, daß er in solcher Mission hier erscheinen mußte. Die Soldaten ließen sich, während sie durch Bürgstein marschirten, bei Bäckern und Gastwirthen das und jenes geben, wofür sie nichts bezahlten. – Gegen 2 Uhr Nachmittags kehrten viele der Flüchtlinge zurück und wurden tüchtig ausgelacht. Die meisten waren bis auf den Slavitschek geflohen, wo sie sich deshalb zur Umkehr entschlossen, weil sie von dort sahen, daß bei’m Bürgsteiner Schlosse viele Civilisten mitten unter den Preußen standen. Ein baumlanger Mann, welcher auch wieder nach Hause eilte, flüchtete sich in ein nahes Kornfeld, weil er ,ehrere Husaren aus Bürgstein kommen sah; diese lachten laut auf, als sie die lange Stange über das Korn herausragen sahen. Noch wurde an diesem Tage von Husaren Bier in das Lager von Lindenau und von Infanteristen Stroh für ausgestellte Wachtposten verlangt. Jene Wirthschaftsbesitzer, welche mit ihren Pferden nach Sohr geflüchtet waren, kehrten eiligst zurück, weil sie viele Preußen von Zwitte aus auf dieses Dörfchen zukommen, und sich daher dort nicht mehr sicher sahen. Abends und in der Nacht wurden in Bürgstein noch feindliche Infanterie- und Uhlanen-Patrouillen bemerkt. Jene Bauern, welche in die Lager von Kunnersdorf und Brims hatten Vorspann leisten müssen, kehrten bis auf einige um Mitternacht zurück; sie erzählten, daß im Lager von Brims noch ein 2. Ochs des Herrn Grafen Kinsky requirirt und sofort zurück behalten worden sei. Auch klärte sich noch am 25. Auf, was die Rodowitzer zu ihrer Flucht über Hals und Kopf veranlaßt hatte. Mehrere Civilisten hatten nämlich der preußischen Cavallerie den Weg in andere Orte zeigen müssen und da sie deshalb neben den Pferden herliefen, so glaubte man, daß die Preußen sie mit fortschleppten. Jedenfalls war dieser Tag der bewegteste für die hiesige Gegend, doch nicht etwa in geschäftlicher Beziehung, im Gegentheile wurde an diesem Tage gar nicht gearbeitet; die Spiegelfabrik und die Kattunfabrik waren gesperrt, die Weber zogen ihre Waare von den Webstühlen und versteckten sie sammt der Wolle in die Keller.

Am 26. Juni, Früh bei Tagesanbruche, marschirte jenes Bataillon vom 17. rheinischen Infanterie-Regimente, welches in Haida übernachtet hatte, auf der mährisch-schlesischen Straße durch Bürgstein gegen Niemes ab. Dasselbe hatte gute Mannszucht gehalten, das Eigenthum geschont und nicht den geringsten Anlaß zu Störungen oder Excessen gegeben. Nur muß der einzige Fal erwähnt werden, daß sich der Adjutant des Bataillons am 26. Juni Früh vor dem Abmarsche mit mehreren Soldaten in das Haus des Bäckermeisters August Storch begab, demselben den Schlüssel zu seinem Vorrathsgewölbe abforderte, dieses öffnete und die darin vorgefundenen Bäckerwaaren, als: 24 Brote á 21 kr., 34 kleinere Brote á 5 kr., 400 Semmeln á 2 kr., 150 Semmeln á 1 ½ kr. Und 200 Semmeln á 1 kr., in Beschlag nahm und durch die Soldaten forttragen ließ. Am 26. Juni Nachmittags requirirte eine Abtheilung des pommer’schen Landwehr-Reiterregimentes: 450 Pfund Heu, 560 Pfund Stroh, 1800 Pfund oder 36 n.-ö. Metzen Hafer und entfernte sich sogleich wieder aus der Stadt. – In Bürgstein kam am 26. Juni um 2 Uhr Morgens der im Brimser Lager requirirte Ochs wieder; er war in der Nacht entwichen und über Lindenau nach Hause gelaufen. 2 rothe Husaren, welche in einer benachbarten Ortschaft eine Fuhre Stroh requirirt hatten und darauf in Gulich’s Gasthause einkehrten, brachte der Wirth durch die Aeußerung, daß 2 Schwadronen österreichische Husaren heranrücken, so in die Angst, daß sie nicht schnell genug den Wagen besteigen konnten und eiligst nach Zwickau weiter fuhren. Preußische Cavallerie-Posten beobachteten den ganzen Tag und auch Abends noch die Gegend vom Schieferberge und von der Johanneskapelle aus. – Am 27. Juni 4 ½ Uhr Morgens kamen 5 Landwehr-Kürassire von Zwickau nach Bürgstein, frugen nach Oesterreichern und ritten dann wieder zurück. Um 8 Uhr erschienen von Zwickau her 24 grüne Husaren und requirirten eine geringe Portion Hafer, worauf sie die Richtung nach Schwoika einschlugen. Zwei, welche ihre Pferde beschlagen ließen und sich deshalb verspäteten, frugen nach dem geradesten, durch den kleinen Hohlstein führenden Weg nach Schwoika. Der Hohlstein ist ein Felsenpaß, den selbst in hiesiger Gegend nur wenige Leute kennen. Nachmittags kamen einige Husaren und requirirten in Nr. C. 109 Hafer, Speck und Rauchfleisch. Im Ganzen hat Bürgstein mit Johannesdorf außer der nach Haida gelieferten Contribution 1 Zugochsen, 45 Zentner Heu, 33 Zentner Hafer, 19 Zentner Stroh, 26 Laib Brot, 8 Eimer Bier und 4 Flaschen Wein geliefert. – Am 28. Juni requirirten die Proviantcolonnen Nr. 4 und 5 in Haida 1550 Pfund Heu, 560 Pfund Stroh, 1800 Pfund oder 36 n.-ö. Metzen Hafer, 410 Pfund Stroh, und verließen dann sogleich wieder die Stadt. An diesem Tage war schon früh Morgens Kanonendonner zu hören. Viele Leute liefen deshalb auf den Slawitschek und den Eibenberg. Seitdem blieb der Haidaer Bezirk bis zu dem erfolgten Waffenstillstande von dem weiteren Besuche der preußischen Truppen verschont. Am 1. Juli wurde aus Anlaß der bedrängten Zeit eine feierliche Prozession aus der Bürgsteiner Pfarrkirche in die Johanneskapelle geführt.

13. August. Die Gemeindevorsteher erhalten die Weisung, sich auf den Rückmarsch preußischer Truppen vorzubereiten. – Am 17. August rückte die 4. Munitionscolonne des pommerschen Feldartillerie-Regimentes Nr. 2 mit 2 Offizieren, einem Oberarzte, einem Thierarzte, 140 Mann und 138 Pferden in Haida ein, welche Colonne daselbst und in der benachbarten Gemeinde Arnsdorf einquartiert wurde; 35 Mann und 45 Pferde kamen nach Bürgstein in’s Quartir. – Am 19. August rückte das 2 Bataillon des 5. Pommerschen Inf-Reg. Nr. 42 unter dem Commando des Oberstlieutenants von Korzfleisch in der Stärke von 898 Mann, 17 Offizieren und 40 Pferden in Haida ein, welches ebenfalls daselbst und in Arnsdorf einquartirt wurde. Oberstlieutenant von Korzfleisch war ein sehr freundlicher und gutmüthiger Commandant, der den Bewohnern der Stadt Haida die Last der Einquartirung auf alle mögliche Art erleichterte und sich gegen die Bürgerschaft sehr freundlich und artig benahm. Da wöchentlich 6 bis 8 Vorspannsfuhren zur Abholung des Proviants von Niemes benöthigt wurden, so ließ er denselben, um die Stadt mit dergleichen Fuhren nicht zu belästigen, mit den Pferden des Bataillons von Niemes abholen und borgte sich blos die dazu erforderlichen Wagen in Haida und Arnsdorf aus. Am 21. August wurde im Haidaer Stadthause eine Hauptwache errichtet. Am 22. August besuchten viele Preußen von Haida aus den Einsiedlerstein in Bürgstein. Am 23. August kamen Soldaten des 2. Pommerschen Jägerbataillons unter Führung des Lieutenants Stülpnagel und des Bataillonsarztes Wirber von Reichstadt nach Bürgstein, gleichfalls in der Absicht, den Einsiedlerstein zu besuchen. 55 Jäger schrieben sich an diesem Tage in das Fremdenbuch ein; ihr munteren Lieder hallten mächtig in’s Thal herab. Mittags kamen auch von Zwickau Preußen auf Besuch hierher. In Haida war an diesem Tage im Garten des Gasthauses „zum Bahnhof“ evangelischer Gottesdienst. – Am 25. August wurde in Bürgstein und Johannesdorf die 2. Compagnie des 42. Regimentes, welche von Zwickau kam, 228 Mann mit 3 Offizieren und 3 Pferden, einquartirt. Das Spritzenhaus wurde als Hauptwache bestimmt. Im Dorfe Schaiba, wo heute Tanzmusik war, fanden sich auch mehrere Preußen von Haida aus ein; sie begannen einen Streit mit den Civilisten, zerbrachen die Stühle und zerschlugen die Biergläser, so daß die Tänzer aus Angst zu den Fenstern hinaus sprangen. 27. August. Die im Bezirke einquartirten Preußen exerciren fleißig und machenUebungsmärsche, z.B. von Haida nach Parchen, Bürgstein, Piehl und Piehlerbaustellen. – Am 31. August marschirte sowohl das in Haida stationirte 2. Bataillon, als auch die in Bürgstein einquartirte Compagnie des 42. Inf-Regimentes nach Görlitz weiter. Um Mittag kam die 10. Compagnie des Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regimentes Nr. 2, 227 Mann mit 4 Offizieren und 27 Pferden nach Bürgstein und Johannesdorf in’s Quartir. Auch Piehl, Komt und Bockwen erhielten Einquartirung vom Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regimente. (Beim Einmarsche der Preußen waren nur einzelne Uhlanen oder Husaren nach Komt, Piehl und Piehlerbaustellen gekommen, die theils nach Oesterreichern frugen, theils requirirten, wie beim Fleischer Gampe in Mücken’s Gasthause und im Bräuhause zu Piehl, dann bei Herrn Knechtel in Bockwen.) Am 1. September rückte die 4. Munitionscolonne des Art.-Regimentes Nr. 2 gleichfalls nach Görlitz ab. Am 2. September ging auch die 10. Compagnie der Kaiser Franz Grenadire über Warnsdorf weiter. An diesem Tage erhielt Haida ein Gardeschützen-Bataillon, das Garde-Pferde-Depot und die garde-Kriegskassa mit Bedeckung, Bürgsteindie 4. Reitende Garde-Batterie unter dem Commando des Grafen Pritwitz, 129 Mann mit 195 Pferden, in’s Quartir. Nach Blottendorf kam Infanterie, deren Offiziere viele Glaswaaren einkauften. Alle diese Truppen gingen am 3. September weiter. Am 2. Und 3. Fanden übrigens in Haida auch stundenlange Durchmärsche statt. – Die letzte Einquartirung der preuß. Truppen erfolgte am 4. September, wo das leichte Feldlazareth Nr. 3 in Haida einrückte und am folgenden Tage wieder abmarschirte. – Am 12. Sept. gingen noch mehrere Pontons, von Leipa kommend, durch; seitdem sahen wir keine Preußen mehr. Den Bürgsteiner Einsiedlerstein haben vom 17. August bis 5. Sept. sehr viele Preußen besucht, das Fremdenbuch weist, obwohl schon eine halbe Seite herausgerissen wurde, 724 Unterschriften nach, worunter Wilhelm von Blücher aus Rostock, Baron von Schimmelpfennig, Freiherr von Eynatten, von Sydow, von Bülow, von Arnim ... . Um die Gemeinde Bürgstein haben sich insbesondere der Herr Gemeinderath Ignaz Niesig und der herrschaftliche Rentmeister Herr Franz Kallaus verdient gemacht. ..."


*)Die erste Requisition für das 7. Uhlanenregiment betrug 2100 Pfd. Oder 42 ¾ n.ö. Metzen Hafer, 600 Pfd. Heu, 1200 Pfd. Stroh, 186 Pfd. Brot, 89 Pfd. Rindfleisch, 40 Pfd. Reis, 10 Pfd. Salz, 188 Quart Bier, 4 Flaschen Wein, 3 Flaschen Rum, 500 Zigarren, 54 Loth Rauchtabak und 36 Pfd. Kartoffeln, das 29. Inf.-Regiment requirirte: 623 Pfd. Rindfleisch, 1499 Pfd. Brot, 500 Zigarren, 1056 Quart Bier, 35 ½ Pfd. Reis, 100 ¼ Pfd. Salz, 459Pfd. Hafer, 209 Pfd. Heu, 119 Bund Stroh, 10 Quart Fischtran, 1 Faß Schnaps und 29 Flaschen Wein. Die ermäßigte 3. Requisition bestand in 7450 Pfd. Hafer, 3600 Pfd. Heu, 1900 Pfd. Brot, 680 Quart Bier und 2800 Pfd. Stroh. Diese Gesammtlieferung wurde, da die Stadt sie allein nicht zu leisten vermochte, als eine Bezirkslast erklärt und deshalb noch an demselben Tage auf die 15 Gemeinden des Bezirkes repartirt.

**) Diese Truppen kamen von Kreibitz, wo sie sich von den übrigen bei der Kreuzbuche getrennt hatten und nach Kamnitz marschirt waren. Dort wollten sie nach vorgenommener Requisition einen Rasttag machen. Sie lagen eben ermüdet und hungrig um ihre Kesselfeuer, als es hieß: Die Oesterreicher sind in Tetschen. Es ertönte das Alarmhorn, die Kessel wurden umgeschüttet und ungesättigt mußten die Truppen weiter marschiren. Auf den Regen folgte drückende Hitze; viele wurden marode und mußten auf Wagen nachgeführt werden. In Steinschönau wurde Halt gemacht, ohne zu requiriren und nach kurzem Aufenthalte durch Schelten, Parchen und den Schaiberwald nach Haida marschirt. Eine Husaren-Abtheilung, 20 bis 30 Mann, ritt von Böhmisch-Kamnitz auf der Gersdorfer Straße über Henne, Meistersdorf, Wolfersdorf, Oberliebig und Langenau nach Haida. – Der „Prager Zeitung“ wurde aus Böhm.-Kamnitz unterm 26. Juni geschrieben: Am Samstag (23. Juni) überschritt der Feind unsere Bezirksgrenze bei’m Gebirgspaß von Hasel. Am folgenden Tage um ¾ 3 Uhr Nachmittags rückten hier die ersten feindlichen Reiter und in der Stadt das ganze 17. Infanterie-Regiment aus Rheinpreußen mit zwei Geschützen ein. Unsere Bevölkerung benahm sich bei dieser Gelegenheit musterhaft besonnen und zeigte keine Furcht, worüber selbst der Feind seine Verwunderung ausdrückte. Derselbe requirirte Lebensmitel und Pferdefutter für deinen Bedarf und es wurde das Requirirte im Werthe von circa 700 fl. Von der Stadt und allen Bezirksgemeinden gemeinschaftlich aufgetrieben. Die Preußen machten sich bequem und richteten sich auf einen längeren Aufenthalt ein, entsendeten Vorposten gegen Tetschen und Bensen, als plötzlich am Montag (25. Juni) Mittags Marschbefehl eintraf und die ganze Colonne nach 1 Uhr über Steinschönau nach Haida abzog. Das geschah in solcher Eile, daß die Soldaten nicht einmal vollständig abkochen konnten und selbst ihre Leibwäsche, die sie gewaschen, naß mitnehmen mußten. – Nach einem in der „Bohemia“ veröffentlichten Privatbriefe aus Bensen traf dort, von Böhmisch-Kamnitz kommend, am 25. Früh 8 Uhr eine Husaren-Patrouille ein; zwei stellten sich bei der Fabrik an der Tetschner Straße auf, fünf stiegen am Ringplatze ab, einer blieb auf er Kamnitzer Straße stehen. Die Leute sahen im ersten Augenblick recht stattlich aus, besonders der Wachtmeister, ein rheinpreußischer Adeliger. Die erste Frage war, ob kaiserliches Militär in der Nähe und wie weit es nach Tetschen sei. Im Gasthaus schrieb der Wachtmeister, einen sechsläufigen Revolver vor sich, einen Rapport, den er dann laut las. Er sprach seine Zufriedenheit darüber aus, daß die Leute hier bei Ankunft der Preußen alle aus ihren Häusern herauskamen und ohne Zögern Antwort gaben, während es anderwärts wie ausgestorben sei. Er erzählte, daß sie gegen Prag rückten, doch glaube er selbst nicht, daß sie so weit kommen würden. Dem Bürgermeister zeigte er an, daß am nächsten Tage circa 3000 Mann in Bensen eintreffen würden. Einer der Husaren, auch ein Rheinpreuße fragte nach dem Bräuhaus, da er auch ein Bräuer sei. Er trank sich dort einen tüchtigen Rausch und gerieth mit dem Bräuer in Streit, weil er diesem mit aller Gewalt eine bessere Methode des Pichens der Fässer beibringen wollte. Als er in’s Wirthshaus zurückkam, zog er einen Hahn aus dem Schnappsacke und gab ihn der Wirthin zu braten, der Braten war aber erst halb gar, als der Befehl zum Aufsitzen kam. Mit Noth brachte man den Berauschten auf’s Pferd, wo man ihm, da er den Hahndurchaus nicht lassen wollte, den Säbel und Zügel in die Rechte, in die Linke den Hahn steckte, von dem er tüchtige Fetzen herabriß. Als die Patrouille im Galopp durch die Stadt sprengte, fiel der Mann herunter, so daß er auf’s Pferd angeschnürt werden mußte. Die Husaren sprengten nach Böhm.-Kamnitz zurück. – Eine ähnliche Patrouille war in Tetschen. Dieselbe erschien 9 Mann stark am 25. Juni in der 9. Vormittagsstunde unter der Anführung eines Offiziers und sprengte im Carriere vor das Bezirksamt; der Offizier hielt den Revolver, die Mannschaft die Karabiner hoch empor. Sie fragten, ob die Kettenbrücke abgebrochen sei und ob sich hier oder in Bodenbach Militär befinde. Als ersteres bejahend und letzteres, was Bodenbach betrifft, als unbekannt bezeichnet wurde, ritt die Patrouille wieder bis Losdorf zurück und stellte sich daselbst auf der Straße auf. Nachmittags ritt die Patrouille wieder etwas näher; der Anführer gab Vorübergehenden einen Zettel an Se. Exc. Den Herrn Grafen Thun-Hohenstein, in welchem er um etwas Mundvorrath bat. Als aber bald darauf eine Staffette anlangte, sprengte die Patrouille gegen Kamnitz davon. Die Preußen warenb in ziemlich derangirtem Zustande, auch die Pferde machten eben keine Parade. (Siehe den im Anhang enthaltenen Spezialbericht aus Tetschen)

Quelle: Chronik der Preußischen Invasion des nördlichen Böhmens im Jahre 1866 (von A. Jahnel)
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