Bildhauer Eduard Wessely aus Bürgstein

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Mario
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Bildhauer Eduard Wessely aus Bürgstein

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Bildhauer Eduard Wessely aus Bürgstein

Eduard Wessely, geboren am 31. Januar 1817 in Bürgstein, ist der Sohn des Bildhauers Anton Wessely. Zwei Jahre alt, verlor er bereits den Vater und wurde seinem Großvater, dem Bildhauer Franz Wessely, überwiesen. Er absolvierte die Volksschule seines Heimatortes, und gleichzeitig wurde das in ihm schlummernde Talent zur Bildhauerkunst geweckt und belebt; er zeigte schon während seines schulpflichtigen Alters große Vorliebe für das Schnitzen und half dem Großvater hin und wieder bei kleineren, leichten Arbeiten. Nach und nach wurde die Lust und Liebe zur Kunst derart in Eduard Wessely befestigt, daß er wegen weiterer Ausbildung nach Prag zu dem damals bekannten Holzbildhauer Wendel Schumann, zu dessen Schülern auch die beiden Brüder Josef und Emanuel Max zählten, als Zögling gegeben wurde. Sein Meister, mit ihm jederzeit zufrieden, ließ dem strebsamen Jüngling soviel Zeit, daß derselbe die unter der vorzüglichen Leitung des Direktors Franz Ckadlik befindliche Akademie bildender Künste besuchen konnte. Durch seine Leistungen und durch seinen Eifer erwarb sich Wessely bald die Gewogenheit des Direktors, der ihn auf verschiedene Weise auszeichnete. In den Jahren 1838 und 1839 beteiligte er sich an den Preisarbeiten, und jedesmal wurde ihm ein Preis zuerkannt. Mehrere Jahre hindurch war er Assistent unter dem Bildhauer Josef Max in der Gewerbeschule, welche damals in dem alten Gallikloster untergebracht war. Eduard Wessely leitete ferner 15 Jahre hindurch den Modellier-Unterricht im katholischen Gesellenverein ohne jede Entlohnung. Seine Vorliebe für figurale Vorstellungen trat immer mehr zu Tage, und seitdem er selbständig geworden war, vertrat er diese Richtung in ganz besonderer Weise, so daß er sich im Laufe der Jahre einen Ruhm erwarb, der bis über die Grenzen des Heimatlandes drang. Eduard Wessely beschränkte sich nicht nur darauf, Arbeiten in Holz auszuführen, sondern er stellte auch solche aus Elfenbein, Alabaster, Stein, ja selbst Meerschaum her. Um seine Kenntnisse auch durch Anschauung zu bereichern und die Werke alter Meister studieren zu können, bereiste er Bayern, war mehrmals in Wien u.s.w. Das Bedürfnis, die Kirchenlicht nur durch Bilder, sondern auch durch plastische Vorstellungen zu verschönern, hat im Laufe der Jahre in seinem Atelier die schönsten, pietätvollsten Statuen entstehen lassen. Auch die Polychromierung vieler derselben übernahm er selbst. Er blieb aber auf dem Gebiet religiöser Kunst nicht stehen; er stellte auch viele allegorische Figuren und zahlreiche Ornamente her, lieferte viele Modelle zu den verschiedensten Kunstgegenständen, welche größtenteils zur Ausschmückung öffentlicher Gebäude oder Plätze dienen. Aus der Reihe seiner Arbeiten heben wir besonders hervor:

1846 - 1 Kruzifix, in Miklocz in Ungarn
1847 - 2 Statuen: Prokop und Adalbert, befinden sich an der Kanzelstiege der Teinkirche in Prag
1852 - 4 Statuen: Siegmund, Wolfgang, Norbert, Veit, befinden sich an dem Mausoleum (St. Lucas-Altar) bei der Ceinkirche in Prag
1854 - 1 Madonna mit dem Kind Jesu, 6' hoch, befindet sich in der Seminärkirche in Budweis
1856 - 1 Kruzifix, 5' hoch, 2 Engel, 3' hoch, sind in der Spitalkirche in Saaz
1860 - 4 Statuen: Ludwig der Heilige, Ludwig IX, Heinrich III, Karl XII, befinden sich im Jagdsaale des Schlosses des Fürsten Rohen zu Sichrow in Böhmen
1861 - 2 Statuen: Wendel und Johann von Nepomuk, 6' hoch, befinden sich in der Stiftskirche in Braunau
1862 - 1 Madonna Immaculata, 3' hoch, befindet sich in Ratlos in Galizien
1862 - 2 Statuen: Petrus und Paulus, 6' hoch, zu Kalching bei Krummau
1864 - 2 Statuen: St. Johann der Täufer und St. Josef, sind zu Reichsstadt in Böhmen
1864 - 1 Kruzifix, 6' hoch, zu Heiligenkreuz in Böhmen
1864 - 5 Statuen, befinden sich an der Kanzel der Pfarrkirche in Karolinenthal bei Prag
1864/65 - 13 Statuen für die Stadtkirche in Policzka in Böhmen
1865 - 4 Statuen für den Hochaltar der Domkirche von Königgrätz
1865 - 12 Apostelhalbfiguren, 2' hoch, befinden sich an der astronomischen Uhr des Altstädter Rathauses in Prag
1865 - 9 Statuen, befinden sich an einem gotischen Seitenaltar der Teinkirche in Prag
1866 - 1 Wenzelstatue, 8' hoch aus Stein (nach Peter Arler), befindet sich äußerlich an der Wenzelskapelle des Veitsdomes in Prag
1867 - 6 Statuen in der Piaristenkirche zu Nepomuk in Böhmen
1868 - 5 Statuen aus Pläner-Kalkstein, an der Kanzel der Pfarrkirche zu Wosenitz bei Jungbunzlau
1868 - Modelle zu den großen und kleinen Platz-Candelabern samt Karyatiden
1869 - 1 Madonna, 6' hoch, mit dem Kinde Jesu und 15 anderen Statuen, befinden sich in der Domkirche von Königgrätz
1872 - 2 Statuen: die "Baukunst" und die "Wohltätigkeit" (gebrannter Ton), befinden sich auf der Gruft des Grafen Franz Thun von Hohenstein auf dem Friedhof zu Koschirz bei Prag
1872 - Statuen für Se. Hoheit den Erzherzog Ludwig Salvatore Toscana, befinden sich im Schlosse Miramare auf der spanischen Insel Mallorca
1873, 1875, 1882 und 1883 - 13 Statuen in der Stadtkirche von Aussog
1873, 1875, 1882 und 1883 - 6 Statuen in der Ignatiuskirche in Prag
1879 - 12 Apostelfiguren und 9 andere Statuen in der Klosterkirche zu Mariaschein
1880 - 8 Statuen für die Domkirche in Königgrätz
1881 - 1 Reliefornament in Ebenholz, bestimmt zu einem Tische als Geschenk für das hohe Kronprinzenpaar
1883-84 - 1 Madonna und die Statuen des heiligen Franziskus und der heiligen Elisabeth, bestimmt für das kaiserliche Oratorium Inn der Domkirche zu Prag
1884 - Eine große Kindergruppe in der Frontspitze der Orgel im Rudolfinum in Prag
1886 - 8 Figuren für die Wenzelskirche in Schmichow bei Prag
1887 - Eine große Kreuzgruppe: Christus am Kreuz, Maria und Johannes stehend, Magdalena am Fuße des Kreuzes knieend, bestellt vom Fürsterzbischof Schönborn für die Kirche in Brzezan bei Prag.
1887 - 7 Statuen für die Erkerkapelle des Altstädter Rathauses in Prag

Gegenwärtig arbeitet Eduard Wessely an Schnitzereien, welche als Verzierungen zu einem Bischofsstabe für den Heiligen Vater dienen werden. Im Laufe der Jahre wurde das Atelier des Eduard Wessely von vielen hohen Persönlichkeiten geistlichen und weltlichen Standes beehrt; zu diesen zählen: Fürsterzbischof Schönborn(welcher den Künstler noch heutigen Tages häufig besucht), Fürst Rohan, Graf Thun-Hohenstein, BaronKotz, Fürstin Auersperg, Gräfin Clam-Gallas, Gräfin Walmoden u.a.m. Neben seiner künstlerischen Tätigkeit wurde Eduard Wessely im Jahre 1874 an die k.k. erste deutsche Staats-Oberrealschule in Prag als Lehrer für den Unterricht im Modellieren berufen und wirkt bis jetzt in dieser Eigenschaft zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten. Eine seltene Frische des Geistes und Körpers ist dem Künstler trotz seiner 70 Jahre beschieden, und wir fügen nur den Wunsch hinzu, Eduard Wessely möge noch recht lange seiner Gesundheit sich erfreuen, um fürderhin auf dem Gebiete darstellender Kunst wirken zu können.

Quelle: Mitteilungen des Nordböhmischen Exkursion Klubs (Band 11, Seiten 19 - 22)

(Auf die für den Text im Original existierenden Fußnoten wurde bei dieser Abschrift verzichtet)
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