Zur Ortsgeschichte von Bokwen und Komt

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Mario
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Zur Ortsgeschichte von Bokwen und Komt

Beitrag von Mario »

BOKWEN
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In der Mundart: "Bopfn" gesprochen (von Buk = Buche), liegt der Ort mit seinen zuletzt etwa 67 Gehöften und Häusern in einer länglichen Mulde zwischen dem Schwoikaer Gebirge und dem Leipaer Spitzberg am unteren Lauf des Kleisbaches, der hinter Dobern unter dem Namen Hilschke in den Polzenfluß mündet. Wegen oftmaliger Überschwemmungen wurde eine Wehr angelegt und ein Teil des Wassers durch einen Graben zur Froschmühle nach dem nahen Klein-Haida abgeleitet. In dieser Mühle wurden zuletzt Schleifsteine für die Glasindustrie geschliffen, die aus England kamen. Durch Bokwen verläuft die Bezirksstraße Haida-Bürgstein-Pihl-Bokwen-Pießnig-Dobern-Leipa, die seit den 20er Jahren bis 1938 von dem Omnibusunternehmen Hieke zweimal täglich befahren wurde. Auf dem Mühlberg stand im Mittelalter eine Veste, die in den Hussitenkriegen zerstört wurde, dann wieder aufgebaut und 1471 Sitz des Ritters Hans Gersdorf-Suwa war, der auch Lehensgüter in Pießnig und Dobern besaß. Wo die Straße aus Komt nach Schwoika abzweigt, stand auf Gründen der Veste der Berghof, der nach 1803 im Besitz des Bergbauers Nittel war. Am Bach zu Füßen des Mühlbergs befand sich die Malzmühle, die bis 1688 in herrschaftlichem Besitz war, 1893 abbrannte und abgetragen, später wieder aufgebaut wurde. Nittel (= vermutlich mundartlich verstümmelt aus schles. Nickel oder Nitsche) und Knechtel sind von altersher die in Bokwen am häufigsten vorkommenden Familiennamen. Im Knechtel-Hof und -Kretscham (= Dorfschenke), unterhalb der Kapelle (Haus Nr. 20), amtierten die Richter Adam Knechtel (1585), Hans Knechtel (1653) und Christian Knechtel (1714). Angehörige der Knechtelfamilie erbauten die St. Josephskapelle. Kirchlich gehörte Bokwen von 1640 bis 1691 zu Bürgstein, dann bis 1786 zu Dobern und ab ab 1787 wieder zu Bürgstein (ebenso wie Schwoika). Vor 1640 war für die Bewohner Bokwens die Leipaer Nikolaikirche zuständig, in der im 30jährigen Kriege die Matrikeln verbrannten. Im Jahre 1695 hatte Bokwen 12 Bauern und 12 Gärtner, 1772 12 Bauern, 2 Gärtner und 31 Häusler. aus Bokwen stammen die Pfarrer Christian Zenker, er war 33 Jahre Pfarrer in Lindenau (+1782) und dessen Neffe Anton Zenker, auch 40 Jahre in Lindenau (+1837). In Bokwen wurde am 26.03.1826 Anton Nittel geboren (vermutlich in dem Haus Nr. 37), Schöpfer der Hockewanzelgeschichten. Er gründete in Warnsdorf die Altkatholische Gemeinde, die das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubensdingen ablehnt, und der viele Gläubige aus nah und fern beitraten (besonders auch in Arnsdorf). Pfarrer Nittel wurde exkommuniziert und starb am 09.09.1907 in Martinsthal bei Zwickau. Im Jahre 1903 stiftete der Berghofbesitzer Anton Nittel (namensgleich wie der Pfarrer) den Grund zu dem gemeinsamen Friedhof mit dem Ort Komt. Darauf baute er die einzige Gruft, in die er als erstes bestattet wurde. Die von seinem Sohn Josef entworfen und 1987 noch lesbare Schrift lautete:

Hier ruhen auf der Väter Scholle,
enthoben ihrem Wirkungskreis,
unsere Lieben im ewigen Frieden,
der Tod sie hier vereint.

Wenn einst in sturmbewegten Zeiten
die Woge hoch und nieder geht,
Gott der Allmächtige schützend leite,
daß der Frieden über dieser Stelle weht



KOMT
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In alten Schriften lautet die Schreibweise dieses Ortes ''Combt" oder "Kompt". Komt liegt an der Landstraße zwischen Bürgstein und Pihl und an der Gemeindestraße nach dem 2 km entfernten Bokwen, zu dem es seit 1850 eingemeindet ist.Durch die Komter Dorfflur fließt in großen Bögen der Kleisbach (= Rodowitzer Bach). Die Dorfflur umfaßt den Weinberg (südwestl. Höhenrücken, auf dem vermutlich einst Wein angebaut wurde), dann das Bachgelände bis an den Fuß des Pihlberges und eine schmale Zunge in nordwestl. Richtung nach Kottowitz hin, auf der als Einschicht weitab vom Dörflein der Diebelhof (Haus Nr.23), der zweitgrößte Hof von Komt mit 10 ha Größe, steht. Die Diebelfamilie zählte zu den ältest eingesessenen im Dorf und Umgebung seit dem 30jähr. Kriege. Östlich vom Diebelhof liegt der Zoselgarten (hier stand einmal ein Gehöft. dessen Besitzer Zosel hieß). Jenseits des Baches das "Brachhaus" (siehe Ortsplan Bürgstein/Komt), eine natürliche etwa 30 m in den Berg reichende Sandsteinhöhle, in der früher Flachs gebrochen wurde. Darüber der Vogelberg, an dessen Nordfuß der Zigeunergrund mit den Zigeunerlöchern lag. Der Name Komt läßt sich herleiten vom Worte Kumt oder Kommet, dem Halsjoch der Zugtiere aus dem slav./poln. "chomat". Zur Überwindung der steilen Straßenstrecke zur Komtschenke nämlich, mußten die Fuhrleute an ihre schwer beladenen Plachenwagen die Pferde aus der Schenke vorspannen lassen und ihnen das Halsgeschirr, genannt Kumt, umhängen.
Pfarramtlich sind die Komter Einwohner vor 1692 größtenteils in den Kirchenmatrikeln von Dobern eingetragen, teilweise auch noch bis 1786. Nach 1692 bestehen in Bürgstein getrennte Kirchenbücher für Komt, und für Bokwen ab 1787 (vorher bei Dobern). Die Komtschenke (Nr. 1) war das älteste und größte Gebäude des Dorfes, Sitz des Ortsrichters, der auch die Schnapsbrennerei betrieb. An der Straßenseite grenzte den Hof eine hohe Mauer ab. Der Grundbesitz hatte ein Ausmaß von ca. 26 ha., seit 1729 im Besitz der Familie Ostritz, deren Vorfahren vermutlich aus dem slav. Osten -Schlesien­- über Kottowitz zugewandert waren. 1754 war Richter Joh. Wenzel Ostritz. Sein Sohn Josef, Handels­mann in Amsterdam, besaß in Haida das Weberhaus, wo er im Alter von 54 Jahren am 19.02.1817 starb. Letzter Besitzer war der Bürgsteiner Bauer Josef Beckel (+1976 in Nd. Bayern), dessen Vater eine der neun Ostritztöchter, Elisabeth 1873 +1946, geheiratet und den Besitz für 17000 fl. (Gulden) erworben hatte.
Die Tochter des Joh. Wenzel Ostritz, Anna Rosina, ließ im Jahre 1774 an der Straße unterhalb des Hofes die Komter Kapelle erbauen und der Hl. Maria Magdalena als Ortspatronin weihen. 1898 wurde die Kapelle renoviert. Den Altar ziert ein wertvolles Marienbild. Die Bildhauer Anton Max und der Komter Franz Melzer lieferten dazu einige Figuren. Die auf der Empore untergebrachte Orgel ist eine Besonderheit für ein so kleines Kapellchen. Der nebenan wohnende Böhm­ Scbmied, der aus Hohlen stammte, läutete als Glöckner und Kirchvater tagtäglich die auf dem Türmchen hängende Glocke. Alljährlich wurde am Sonntag nach dem 22. Juli das Kapellen- und Ortsfest gefeiert und vom Bürgsteiner Pfarrer ein Hochamt zelebriert, bei dem Chordirektor Teifel die Orgel spielte. An der Straße standen die Buden, Karusselle usw. wie bei den sonst üblichen Volksfesten in anderen Orten. Unterhalb der Schmiede führt über die Kleisbachbrücke die Straße nach Pihl zu dem etwas weiter auf der rechten Straßenseite liegenden Anwesen Molnar (Nr. 3·). Hier betrieb der im Jahre 1911 aus Mähren zugezogene Ludwig Molnar eine Seilerei und Gastwirtschaft, und hatte in den 20er Jahren an die Gaststube eine Tanzdiele angebaut. Neben Molnar zweigt von der Straße ein Fuhrweg ab nach Kottowitz, vorbei an der Helzel-Kapelle. An der linken Seite dieses Fuhrweges stehen acht Bauerngehöfte, die schon zu Pihl gehören. Gegenüber dem letzten Hof (Papert/Grummich) liegt der Diebelhof (Nr. 23). Sein letzter Besitzer war der im Alter von 80 Jahren am 05.04.1965 in Bärenstein/DDR verstorbene Wenzel Diebel. Der Sohn und Erbe Rudolf Diebel fiel am 30.01.1943 als Soldat bei Leningrad. Gegenüber der Schmiede führt die Gemeindestraße durch den Ort nach Bokwen. Am Ende der Ortsgrenze in Richtung Bokwen liegt das Haus der Familie Rautenstrauch (Nr. 15). Dieser seit dem 13.Jh. belegte Personenname ist aus dem Pflanzennamen Raute entstanden, entlehnt aus dem lat. ruta (mhd.rute), und kommt um 1530 in Schlesien als Rutenstruch in der Bedeutung Gärtner vor. Bedeutende Namensträger waren:
1640-1647 Görge Rautte-Strauch in Blottendorf; Christian Franz Rautenstrauch, geb. 10.10.1677 in Komt, getauft in Bürgstein, Sohn des Christoph und der Dorothea aus Komt; Christian Franz Rauten­strauch gründete 1713 zusammen mit Joh. Anton Hieke eine Glashandelskompanie in Blottendorf, die von seinen Nachkommen mit dem Namen Hieke, Rautenstrauch, Zinke & Co. bis 1848 in Haida weiterge­führt wurde. Christian F. Rautenstrauch stiftetete den Hochaltar in der Blottendorfer Kirche, er war mit Salome, einer Tochter des Joh. Kaspar Kittel, dem Stifter der Kirche verheiratet. Sein Ende war tragisch: Im Kriege zwischen Österreich und Preußen wurde er unweit seines Hauses in Blotten­dorf von preußischen Soldaten überfallen, als Spion angesehen, an den Schweif eines Pferdes gebun­den, ins Lager geschleitt, dann wieder freigelassen, worauf er aber am 26.03.1743 an den erlittenen Mißhandlungen starb. Sein am 26.07.1734 in Blottendorf geborener Sohn Franz Stephan wurde Sängerknabe im Stift St. Emmaus/Prag, trat in den Benediktinerorden ein, wurde Abt im Stift Braunau, kam 1775 als Hofrat in die böhm. Hofkanzlei und starb 51jährig im Jahre 1785. Sein Bruder Sylvester war 1763 Kaplan in Bürgstein, dann Pfarrer in Wellnitz. Es gab noch mehrere Abkömmlinge des Rautenstrauchgeschlechtes in Blottendorf und Haida.
Komt Nr. 25 war die Gastwirtschaft "Zu den 7 Zwergen" an der Auffahrt von der Fichtelschenke zur Abzweigung nach Schwoika, Raststätte für Wanderer und Besucher des gleich oberhalb liegenden Waldtheaters.


Quelle: Ortsgeschichte von Bürgstein in Nordböhmen (Seite 387-392)
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