Zur Ortsgeschichte von Pihl und Pihler Baustelle

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Mario
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Zur Ortsgeschichte von Pihl und Pihler Baustelle

Beitrag von Mario »

PIHL und PIHLERBAUSTELLE.
Nur knapp 1 km weit liegt südlich von Bürgstein, seitwärts vom Einsiedlerstein, am Kleisbach, das Dörfchen Pihl. Der Ortsname muß von Angehörigen deutschen Stammes ausgegangen sein, die um den Hübel oder Hügel ( = aus mittelhochdeutsch Bühel oder Bühl, wie z.B. Dinkelsbühl oder BühlerHöhe), nämlich um den Pihlberg (335m), die Siedlung Pihl gründeten. Von Bühel oder Hübel stammt auch der später von den Tschechen übernommene Ortsname Pihel. Zur Zeit des Heinrich v. Zittau aus dem Hronegeschlecht, der um 1241 die Hasenburg bei Klapy im Kreis Leitmeritz erbaute, wurde zum Schutze der Siedler um den Pihlberg eine Veste darauf errichtet. Einige Nach kommen des Heinrich v. Zittau behieltem dem Beinamen ihres Ahns v. Hasenburg und nannten sich als Besitzer der Veste auf dem Pihlberg zusätzlich von Pihl. Im Jahre 1363 starb Hinko Hase genannt von Hasenburg und Pihl. Von 1402-1408 sind vermutlich dessen Söhne Hinko und Wilhelm Hase v. Pihl Beisitzer im Landtag. 1413 wird noch ein Hinko v. Pihl in einer Fehde mit den Lausitzern erwähnt. 1421 sitzt auf der Veste Johann v. Chlum, er soll ein treuer Gehilfe des Joh. Hus gewesen sein. Ungeklärt ist, ob derselbe in Ungnade gefallen war oder ob er sich von seinen Glaubensgenossen abgewandt hatte, da am 28.11.1422 die Veste Pihlberg belagert und im Juni 1423 angeblich von den Hussiten, die in das Grenzgebiet vorgedrungen waren, gänzlich zerstört wurde. Es ist aber auch möglich, daß die Veste nicht von den Hussiten zerstört worden war, sondern daß der Leipaer Herrschaftsbesitzer Hinko Hlawacz Berka, der Katholik und Landvogt der Oberlausitz war, die Hussiten (vielleicht auch den Joh. v. Chlum) aus der Veste verdrängt hatte und sie zerstören ließ, denn kurz nach ihrer Ver­nichtung im November 1423 hatte er das Gut Pihl seiner Herrschaft Leipa einverleibt. Dabei muß es sich nur um den Platz gehandelt haben, der an der Straße nach Bokwen später im Volkemunde der "Alte Meierhof" genannt wurde und nur noch aus Sandsteinkellern bestand. Bis um die Mitte des 17. Jahrhunderts sollen noch Burgreste vorhanden gewesen sein, die später wahrscheinlich als Baumaterial von der Guteherrschaft oder von den Bewohnern der Nachbarschaft benützt wurden. Die seit Hinko Hlawacz Berkas Zeiten ständig zur Herrschaft Bürg­stein gehörenden Gründe um und hinter dem Pihlberg, zwischen Langenau und Kottowitz, wurden im Jahre 1755 vom Grafen Josef Joh. Max. Kinsky aufgeteilt und an hausbauwillige Untertanen verkauft. So entstand der Name Pihlerbaustellen, ehedem Hofefelder genannt. Zwischen 1747 und 1755 wurde hier ein alter Meierhof aufgelöst, auf dessen Gründen anfänglich 22 Häuser gebaut wurden. Die eigentliche Siedlung um den Pihlberg - das Dörfl Pihl - hatte 1906 sechs Häuser:
Ein Bräuhaus, eine Kunstmühle, eine Maschinenbauwerkstatt, eine Wirkwarenfabrik, Schule und Postamt. Am Pihl­berg ging die alte Fahrstraße, von Osten über Pießnig, Dobern, Reichstadt, Niemes, Münchengrätz, Jungbunzlau kommend, vorbei und führte über den Sattel zwischen dem Langenauer-(Biehmschen)- und dem Kottowitzer-(Lausitzer- oder Kasper-)Berg nach Langenau. Von Leipa her, an dem alten Straßengasthaus "Zum Lammel" vorbei, kam die alte Prag-Zittauer­-Straße über den Sattel nach Langenau. In der Mitte zweigte die Fahrstraße nach Tetschen über die Parchenmühle ab. Vor dem Anstieg der Straße über den Sattel hatte sich das Straßengasthaus "Zum Dörfel" aufgemacht, um welches sich im Laufe der Zeit, an der Südseite des Limberges, Taglöhner ansiedelten. Im Gasthaus konnte Vorspann angefordert werden. Der alte Fahrweg bog früher hinter dem Gasthaus nach rechts ab. Die Fuhrleute, die aus dem Tale bergwärts über den Sattel wollten, waren verpflichtet, bei der alten Pappel mit der Peitsche zu knallen. Der Fuhrmann am Fuße der Straße meldete durch das Knallen sein Kommen und Vorfahrtsrecht an. War am Sattel oder kurz vorher ein Fuhrwerk unterwegs, so mußte dieses war­ten, bis der Fuhrmann von unten kommend, bei ihm vorbei war. Für Knallen wurde im Volksmund "knollen" gesagt und der Ort, wo zu knollen war, hieß demnach "ei dar Knolle". Verarmte und alte Leute aus dem Pihler Dörfel waren oft als Bettler (mundartl. Fechter) unterwegs, und wenn man sie frug: "Wu seid ihr denn har?", gaben sie zur Antwort "aus dar Knolle". So kam das Pihler Dörfel in Verruf, und bald wurde die Bezeichnung Knolle als Schimpflich empfunden. Auf den Hofefeldern
(= Pihlerbaustellen) stand anfänglich nur ein Wirtshaus an der bis 1782 ausgebauten "Kaiserstraße" Haida-Leipa, das Gasthaue "Zur goldenen Wurst", Besitzer war 1780 Franz Müller unbekannter Herkunft. Dieser soll ein tüchtiger Musiker gewesen sein und eine kostbare Geige im Werte von mindestens 300 Gulden besessen haben. Angeblich zeichnete er sich durch die Eigenart aus, daß er sich vormittags in sein Schlafzimmer einschloß, Frauenkleider anlegte und auf der Geige spielte. Der sonderbare Name des Wirtshauses "Zur Goldenen Wurst" hat folgende Bewandtnis:
Als die Gründe des alten Meierhofes aufgeteilt wurden, ritt der Herrschaftsbesitzer Graf Josef Joh. Max. Kinsky selbst die Grenzen ab und die Baustellanten (Bau­willigen) riefen immer "genug, genug", da jeder Angst hatte, ein zu großes Stück Land zu bearbeiten, überstiege seine Kräfte. Nachher wurde in dem Wirtshaus gefeiert, doch keiner der Neusiedler dachte daran, daß der Graf persönlich hier absteigen würde. Die Wirtin, ganz erschrocken, da sämtliche Braten schon ausverkauft, wußte keinen anderen Rat, als die letzte gebratene Wurst dem hohen Herrn vorzusetzen. Wahrscheinlich mundete sie ihm vortrefflich. Die Wir­tin lehnte es aber ab, Geld dafür zu nehmen, da es der Rest gewesen war. So ritt der Graf mit seinem Gefolge von dannen. Als die Teller aufgeräumt wurden, fand man einen goldenen Dukaten darunter. So soll das Gasthaus "Zur Goldehen Wurst' zu seinem seltsamen und lustigen Namen gekommen sein. Nächst der unterhalb dieses Wirtshauses in die Kaiserstraße einmündenden Straße aus Bürgstein/Pihl war eine Kapelle erbaut worden, in der nur einmal im Jahr bei Einweihung neuer Häuser der Gottesdienst gehalten wurde. Den Bauplan hielt man damals für "verwürrt" (verirrt), wegen der zerstreuten Bau­weise, und so nannte man diese Baustellen auch "bei der Kapellen-Kränke". Die Bewohner des Dorfes Pihl sind in den Bürgsteiner Kirchenbüchern seit 1682 aufzufinden, vorher war für die Pihler wahrscheinlich die Stadtkirche von Leipa - oder das Leipaer Augustinerkloster - zuständig, wo sich aber durch den Brand von 1787 keine Urkunden erhalten haben. Die Bewohner von Pihlerbaustellen sind seit der Gründung dieses Ortsteils ab 1747 in den Bürgsteiner Matrikeln nachgewiesen.


Quelle: Ortsgeschichte von Bürgstein in Nordböhmen (Seite 399-401)
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