Sagen aus Röhrsdorf

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Mario
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Sagen aus Röhrsdorf

Beitrag von Mario »

Mühlstein-Schatz
Eine arme Witwe aus Zwickau, die mit ihrem Kinde in sehr elenden Verhältnissen lebte, hatte einmal gehört, daß auf dem Mühlstein große Schätze vergraben seien, die man aber nur am Palmsonntage während der Palmweihe heben könne. Als der Palmsonntag herangekommen war, machte sie sich in der Früh mit ihrem Kinde auf und eilte nach dem Mühlstein. Auf demselben angekommen, findet sie vor dem steinernen Thor den breiten, reißenden Bach überbrückt, der sonst sehr schwer zu durchaschreiten war, und gelangte in einen langen, dunklen Gang, an dessen äußerstem Ende ein schwaches Licht brannte, neben welchem ein großer, schwarzer Hund lag. Rechts und links sah sie große Gewölbe, die mit Gold, Silber und Edelsteinen gefüllt waren. Wie die Frau so große Schätze sah, setzte sie ihr Kind nieder und begab sich in ein solches Gewölbe, wo sie eiligst dreimal in den Goldhaufen griff und das Gold in ihrer Schürze verbarg. Da sie sich aber schon geraume Zeit daselbst aufgehalten hatte, fürchtete sie, es könnte der dunkle Gang sich bald schließen, und eilte daher so rasch wie möglich dem Ausgange zu. Kaum war sie beim Thore angelangt, als auch schon der lange, dunkle Gang und vor ihr auch die Brücke über den Bach verschwunden waren. Zu ihrem großen Schrecken wurde sie es erst jetzt gewahr, daß sie beim Verlassen des Gewölbes auf ihr Kind ganz und gar vergessen hatte. Das Jammern und Wehklagen half nichts. Mühsam durchschritt sie den reißenden Waldbach, und in ihrem Innern ganz betrübt, schleppte sie sich nach Hause. Daheim angelangt, erzählte sie den Vorfall ihren Nachbarinnen, die ihr anfangs keinen Glauben schenken wollten. Als sie aber die Schätze bei ihr erblickten, verschwand ihr Zweifel. Die Witwe war aber durch das viele Geld, das sie nun besaß, nicht glücklich; hatte sie doch ihr geliebtes Kind dabei verloren. Den größten Theil des Geldes vertheilte sie unter die Armen. Einmal kam auch ein altes Mütterchen zu ihr, daß um ein Almosen flehte. Da sie von dem Schicksale der Witwe Kenntnis hatte, so rieth sie derselben, sie möge am nächsten Palmsonntage sich wieder nach dem Mühlsteine begeben, wo sie ihr Kind wiedererhalten werde. Als der Palmsonntag wiederum herangenaht war, that sie wie ihr das alte Mütterchen angerathen hatte. Sie kam gerade wieder zu der Zeit auf den Mühlstein, während welcher in Zwickau die Palmen in der Kirche geweiht wurden. Alles fand sie so vor wie im vorhergehenden Jahre. Sie überschritt eiligst den Bach und gelangte durch das große steinerne Thor in den dunklen, langen Gang. Beklommenen Herzens nahte sie sich der Stelle, wo sie ihr Kind niedergesetzt hatte. Schon erblickte sie das Kind, das munter und wohlbehalten noch auf derselben Stelle saß, wo es seine Mutter niedergesetzt hatte, und einen schönen, rothen Apfel in der Hand hielt. Die Mutter hatte diesmal nicht Acht auf die Schätze , die in den Gewölben rechts und links aufgehäuft waren, sondern nahm ihr Kind und suchte eiligst den Ausgang zu erreichen. Nachdem sie die Brücke überschritten hatte und sich umwendete, war wiederum alles verschwunden. Seit der Zeit lebte sie zufrieden und glücklich mit ihrem Kinde in bescheidenen Verhältnissen und trug kein Verlangen mehr nach den großen Schätzen auf dem Mühlstein.

Der vierte Spieler
Drei Männer aus Zwickau pflegten vor Zeiten an den Sonntagvormittagen sich nach dem nahegelegenen Calvarienberge zu begeben, wo sie in einer Höhle, die am westlichen Abhange des Berges sich befindet, dem Kartenspiel oblagen. Als sie nun wiederum einmal sich daselbst eingefunden hatten und im Begriffe waren, Karten zu spielen, gesellte sich plötzlich zu ihnen ein unbekannter Mann, welcher mitzuspielen begehrte. Man willfahrte seiner Bitte. Während des Spielens geschah es nun, daß dem Einen von den Dreien beim Kartengeben eine Karte unter den steinernen Spieltisch fiel. Wie er sich aber bückte, um dieselbe aufzuheben, gewahrte er zu seinem Schrecken, daß der fremde Mann Pferdefüße statt der Menschenfüße habe. Sofort machte er von dem Gesehenen seinen beiden Nachbarn Mittheilung, die darob in nicht geringe Bestürzung geriethen. Bevor sie sich aber einigermaßen erholte hatten, war der Fremde vor ihren Augen plötzlich verschwunden. Eiligst brachen die drei Männer auf und begaben sich auf den Heimweg. Unterwegs gelobten sie aber, nie mehr den Sonntagvormittag auf eine solche Weise zu entehren, und wurden von nun an eifrige Kirchenbesucher, nachdem sie dem Teufel diesmal noch glücklich entronnen waren.

Quelle: Mitteilungen des Nordböhmischen Excursionsklubs (Jahrgang 1901)
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